Untreue (§266 StGB)
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DIE EINHALTUNG GESETZLICHER BESTIMMUNGEN UND DIE IMPLEMENTIERUNG VON COMPLIANCE-MASSNAHMEN MINIMIEREN DAS RISIKO VON UNTREUE UND ANDEREN STRAFRECHTLICHEN VERGEHEN
Eine sorgfältige Überwachung unserer Geschäftsprozesse und -transaktionen ermöglicht es uns, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und proaktiv zu handeln, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Als verantwortungsbewusstes Unternehmen stellen wir sicher, dass alle Mitarbeiter unsere Compliance-Richtlinien und -Prozeduren kennen und jederzeit befolgen, um das Vertrauen unserer Kunden und Investoren zu erhalten und zu wahren.
Schwarze Kassen und Bestechungszahlungen - Risiken und Strafbarkeit
Untreue (§266 StGB)

Untreue (§266 StGB)
Pflichtverletzung bei Vermögensmissbrauch.
Der Tatbestand der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB, also die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Treugeber, oft einem Unternehmen, und die damit verbundene Herbeiführung eines Vermögensschadens, erfolgt meist im Eigeninteresse des Täters und zum Nachteil des Unternehmens. Daher stellt er auf den ersten Blick kein Compliance-Risiko im engeren Sinne für das Unternehmen dar. Aber gerade im Zusammenhang mit Korruptionsstraftaten ergibt sich oft auch eine Untreuestrafbarkeit der Unternehmensverantwortlichen. Das liegt daran, dass der Unternehmer oder der eigenmächtig handelnde Mitarbeiter das benötigte Bestechungsgeld in der Regel nicht aus dem (eigenen) versteuerten Einkommen aufbringen möchte. Das zu zahlende Bestechungsgeld muss also, besonders bei einer geplanten Bestechung, erst aus dem Unternehmen heraus generiert werden. Diese Generierung des Bestechungsgeldes, entweder am Arbeitgeber oder an der Steuer vorbei, birgt jedoch erhebliche strafrechtliche Risiken im Hinblick auf die Untreue.
Auf der anderen Seite, der Seite des Bestochenen, gehört das erhaltene Bestechungsgeld in der Regel der vertretenen Institution, beispielsweise dem Unternehmen. Die Einbehaltung des Bestechungsgeldes, für welches der Auftrag oft zu einem überhöhten Preis vergeben wurde, stellt genauso wie die teure Vergabe des Auftrags eine Verletzung der Treuepflicht dar. Dies führt oft zu einem Vermögensschaden beim Unternehmen und damit zu einer Strafbarkeit des Empfängers wegen Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB zum Nachteil des Treugebers.
Generierung von Bestechungsgeld
Aufgrund der hohen Kontrolldichte, besonders bei größeren Kapitalgesellschaften, ist die unauffällige Generierung potenzieller Bestechungsgelder, vornehmer bezeichnet als „nützliche Aufwendungen" (NA), innerhalb des Unternehmens oft schwierig. Früher war es gängige Praxis, eine Vermittlungsprovision auszuzahlen oder Beraterverträge mit Vermittlern abzuschließen, die keine oder nur eine unzureichende Beratungsleistung erbrachten, sondern das Beraterhonorar an den eigentlichen Empfänger weiterleiteten. Solche Vermittlungsprovisionen oder Beraterhonorare wurden als betriebsmindernde und damit steuersenkende Betriebsausgaben verbucht. Diese „traditionelle“ Methode der Zahlung von Vermittlungsprovisionen oder des Abschlusses von Beraterverträgen führt zwar zu einem Abzug von Betriebsausgaben, wird jedoch bei steuerlichen Betriebsprüfungen immer häufiger als korruptionsrelevant identifiziert.
In jüngerer Zeit wurden dann alternativ (Rest-)Beträge aus Auslandsaufträgen nicht nach Deutschland überwiesen, sondern an der offiziellen Buchhaltung vorbei auf Konten, an Treuhänder oder an Stiftungen in in der Regel rechtshilfeunfreundlichen Drittländern (sogenannten Steueroasen) transferiert. Ebenso wurde über die Einschaltung eines (unnötigen) Zwischenhändlers in solchen Drittländern, der im Rahmen eines Streckengeschäfts als Kaufpreisempfänger fungierte, schwarze Kassen gefüllt. Der Zwischenhändler behielt den Differenzbetrag zum eigentlichen Kaufpreis entweder aus steuerlichen Gründen oder anderen Gründen ein. Aus solch einer verdeckten bzw. schwarzen Kasse heraus war die Bezahlung von nützlichen Aufwendungen, Beschleunigungsgeldern oder auch Kickbacks ohne Kenntnis der deutschen Behörden möglich.
Der Tatbestand der Untreue kann jedoch bereits erfüllt sein, wenn Angestellte einer Kapitalgesellschaft dieser ohne wirksame Zustimmung Vermögenswerte entziehen, um sie nach eigenen Vorstellungen, eventuell im (vermeintlichen) Interesse der Gesellschaft, zu verwenden (sogenannte „Kriegskasse“). Hierbei ist zu beachten, dass es bereits als Untreue gilt, wenn die auf verdeckten Konten verborgenen Geldmittel dem Unternehmen nicht offengelegt werden, um die Bilanzwahrheit zu gewährleisten. Der BGH hat in einem Urteil vom 29.8.2008 entschieden, dass das Führen einer verdeckten Kasse nicht nur einen potenziellen, sondern einen tatsächlichen Vermögensschaden nach §266 Abs. 1 StGB verursacht. Bei einer schwarzen Kasse kann das berechtigte Unternehmen nicht auf die verborgenen Vermögenswerte zugreifen. Die Absicht, die Geldmittel später im Interesse der Gesellschaft zu verwenden, insbesondere um durch verdeckte Bestechungszahlungen Aufträge zu gewinnen, ist irrelevant.
Eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit ist im Einzelfall ausgeschlossen, wenn eine wirksame Einwilligung der Vermögensinhaber vorliegt. Bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Vermögensinhabers dessen oberstes Willensorgan für die Regelung der inneren Angelegenheiten, im Fall einer GmbH also die Gesamtheit ihrer Gesellschafter. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat nur das Einverständnis sämtlicher Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft oder ein (Mehrheits-)Beschluss, bei dem die Minderheitsgesellschafter zumindest gehört wurden, tatbestandsausschließende Wirkung. Bei einer Aktiengesellschaft muss das Einverständnis entweder vom Alleinaktionär stammen oder von der Gesamtheit der Aktionäre durch einen Beschluss der Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns, und es darf nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen oder aus anderen Gründen als unwirksam bewertet werden. Die Herbeiführung einer rechtswirksamen Einwilligung ist daher kompliziert und stellt aus Compliance-Sicht aufgrund der problematischen Verwendungsabsicht keine Lösung dar.
Zahlung von Bestechungsgeld
Die Zahlung von Bestechungsgeld, ob direkt als Barzuwendung oder als Vermittlungsprovision bzw. Beraterhonorar, kann als untreuerelevant betrachtet werden. Wenn die Hingabe von Vermögenswerten zum Zwecke der Bestechung dem Willen des Vermögensinhabers widerspricht, liegt eindeutig ein pflichtwidriges Verhalten gemäß § 266 StGB vor. Ein solcher entgegenstehender Wille kann sich im Unternehmensbereich insbesondere aus entsprechenden Compliance-Erklärungen, den sogenannten Compliance Commitments, ergeben.
Erfolgt die Bestechungshandlung mit Einwilligung des Vermögensinhabers, ist das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit gemäß § 266 StGB zweifelhaft, insbesondere wenn durch den Einsatz des Bestechungsgeldes ein gewinnbringender Auftrag generiert wird. Wenn die Gegenleistung, also der gewinnbringende Auftrag, nicht erfolgt, entsteht ein Vermögensschaden. Wenn jedoch die Gegenleistung erfolgt, besteht auf den ersten Blick kein Vermögensschaden gemäß § 266 Abs. 1 StGB. Die Gegenleistung ist jedoch weiterhin mit dem Risiko der Anfechtbarkeit und dem Risiko strafprozessualer Maßnahmen, wie der Einziehung des Erlangten gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB, verbunden. Die Gegenleistung ist somit um das Entdeckungsrisiko gemindert. Da diese Rechtsfrage in der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG stark umstritten ist und eine Situation, in der ein Bestechungsgeld nicht den Strafdrohungen der §§ 299, 331 ff., 335a StGB unterliegt, kaum vorstellbar ist, kann eine solche Zustimmung aus Compliance-Sicht nicht gegeben werden.
Nach der Rechtsprechung des BGH besteht bei der Vereinbarung von Schmiergeldzahlungen in Form eines prozentualen Preisaufschlags regelmäßig ein Nachteil gemäß §266 Abs. 1 StGB. Diese Rechtsprechung stützt sich auf die Überlegung, dass zumindest der Betrag, den der Vertragspartner für Schmiergelder ausgibt, auch in Form eines Preisnachlasses dem Geschäftsherrn des Empfängers hätte gewährt werden können. Bei der Auftragserlangung durch Bestechung im geschäftlichen Verkehr stellt daher der auf den Preis aufgeschlagene Betrag, der lediglich der Finanzierung des Schmiergeldes dient, regelmäßig die Mindestsumme des beim Auftraggeber entstandenen Vermögensnachteils gemäß § 266 Abs. 1 StGB dar. Ob andere Anbieter noch teurere Angebote eingereicht haben, ist laut BGH dabei irrelevant.
Die Erbringung von korruptiven Zahlungen, umgangssprachlich als Schmiergeld bezeichnet, stellt sich ebenso wie die Entgegennahme von Bestechungsgeld regelmäßig als Treuepflichtverletzung gegenüber dem eigenen Unternehmen dar. In nahezu jedem Korruptionssachverhalt findet sich daher auch eine Untreuestrafbarkeit gemäß § 266 Abs. 1 StGB. In der Praxis dient die Untreue oft als Auffangtatbestand in Fällen, in denen die strafrechtliche Relevanz gemäß §§ 331 ff. StGB fehlt oder die Beweisbarkeit mangelhaft ist.